Ganzkörper-MRT – Position der SGR-SSR
Grundhaltung zur Ganzkörper-MRT-Untersuchung
Die SGR-SSR steht aktuell dem Trend zur Durchführung von Ganzkörper-MRTs bei asymptomatischen Personen ohne klinische Indikation eher kritisch gegenüber. Auch wenn das Konzept einer umfassenden Früherkennung attraktiv erscheinen mag, fehlen bislang belastbare wissenschaftliche Belege, dass diese Methode die Gesundheit von Gesunden langfristig verbessert. Gelegentlich ist auch das Gegenteil der Fall: Die Zahl unspezifischer Zufallsbefunde ist nicht gering, was zu unnötigen Folgeuntersuchungen, invasiven Eingriffen und zusätzlicher psychischer Belastung führen kann – bei gleichzeitig fraglichem Nutzen. Zudem können dabei erhebliche Kosten, die das Gesundheitssystem belasten, entstehen. Die SGR-SSR ist sich bewusst, dass die Datenlage für eine abschliessende Beurteilung hierzu noch zu gering ist. Auch stehen der kritischen Haltung einige sehr eindrückliche Beispiele gegenüber, welche zeigen, dass es gelegentlich auch pathologische Befunde gibt, welche dank dieser Art der bildgebenden Diagnostik frühzeitig erkannt und dadurch mit geringerem Aufwand für Patient und Gesundheitswesen erfolgreich therapiert werden konnten.
Technische und diagnostische Limitationen
Ganzkörper-MRT-Untersuchungen haben meistens eine eher eingeschränkte Aussagekraft. Aufgrund gesetzlicher Grenzwerte zur Körpererwärmung und der begrenzten Liegedauer sind Auflösung und Bildqualität nicht mit gezielten, diagnostisch indizierten MRTs vergleichbar. Kontrastmittel, das in vielen Fällen diagnostisch notwendig wäre, wird bei Ganzkörperuntersuchungen in der Regel nicht verabreicht. Oft werden die Untersuchungen nicht durch subspezialisierte Radiologinnen und Radiologen beurteilt, teilweise sogar durch Personen ohne gültige Berufsausübungsbewilligung in der Schweiz. Eine fundierte Beurteilung sollte nach Möglichkeit durch zwei subspezialisierte Radiologen (z. B. Body- und Neuroradiologie) erfolgen – was nicht immer gewährleistet ist.
Zufallsbefunde und ihre Folgen
In bis zu 30 % der Untersuchungen treten sogenannte Zufallsbefunde auf, wobei die Zahlen je nach Quelle stark variieren aufgrund der Definition eines Zufallsbefundes. Meist handelt es sich um harmlose Veränderungen. Solche Befunde führen jedoch nicht selten zu diagnostischen Kaskaden mit belastenden Abklärungen wie Biopsien, die in der Mehrzahl der Fälle keinen krankhaften Befund bestätigen. Ein typisches Beispiel ist das Nebennieren-Inzidentalom, das in über 95 % der Fälle gutartig ist.
Gefahren der Überdiagnostik
Statt Sicherheit zu vermitteln, führen Ganzkörper-MRTs bei Gesunden gelegentlich zu Verunsicherung und möglicherweise zu medizinisch unnötiger weiterführender Diagnostik. Die Folgen sind oftmals nicht nur Mehrkosten, sondern auch potenzielle Risiken für die Patientinnen und Patienten durch invasive Eingriffe oder strahlenbelastende Zusatzuntersuchungen wie beispielsweise eine ergänzende Computertomographie (CT). Der gesundheitliche Nutzen ist mit der aktuell verfügbaren Datenlage nicht ausreichend belegt – insbesondere bei Personen ohne Risikofaktoren oder Beschwerden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Ganzkörper-MRT um eine Momentaufnahme handelt, welche nur aktuell bestehende Befunde nachweisen kann und wenig über die Zukunft auszusagen vermag.
Kommerzielle Anbieter und Qualitätsbedenken
Zahlreiche neue Anbieter vermarkten Ganzkörper-MRTs offensiv und setzen dabei auf moderne Apps und Plattformen. Versprechungen wie „Detektion von über 500 Krankheitsbildern“ sind nicht haltbar und demnach zu relativieren. Hier ist Vorsicht geboten vor aggressivem Marketing. Häufig fließt hier ein erheblicher Teil der Kosten nicht in Bildqualität, Technologie oder ärztliche Expertise, sondern in Marketing und Vermittlungsprovisionen. Die Bildbeurteilung erfolgt teils durch nicht ausreichend qualifizierte Fachpersonen. Im Gegensatz dazu verfügen etablierte radiologische Institute in der Schweiz über modernste Technologie, erfahrene subspezialisierte Radiologen und eine fundierte Qualitätssicherung.
Zunehmende Nachfrage – zunehmende Verantwortung
Die Nachfrage nach vorsorglichen Ganzkörper-MRT-Untersuchungen steigt, insbesondere bei gesundheitsbewussten Personen. Der Wunsch, frühzeitig Erkrankungen zu erkennen, ist nachvollziehbar – doch sollte dieser Wunsch nicht durch vermeintliche Sicherheit ersetzt werden, die auf eher unsicheren diagnostischen Grundlagen beruht.
Kosten und Transparenz
Preise von 2’500 bis 3’000 CHF für eine Untersuchung sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie mit höchsten Qualitätsstandards einhergehen: aktuelle Gerätetechnologie, Doppelbefundung durch erfahrene Radiologen mit gültiger Schweizer Berufsbewilligung sowie strukturierte und verständliche Berichterstattung. Zudem ist ein Arzt-Patienten-Gespräch nach der Untersuchung zur Berichtsbesprechung wie auch eine klinische Vorabklärung (Anamnese) mit beispielsweise einem strukturierten Fragebogen zentral. Transparenz ist essentiell: Patientinnen und Patienten sollten wissen, wer ihre Bilder befundet, welche Qualifikationen diese Person aufweist und wie der Preis sich zusammensetzt – insbesondere bezüglich Provisionen an Dritte.
Sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen
Die SGR- SSR unterstützt evidenzbasierte Vorsorgeprogramme, die von Fachgesellschaften empfohlen werden. Dazu zählen u. a.:
– Mammographie-Screening (je nach Kanton ab 50 Jahren)
– Darmkrebsvorsorge (ab 50 Jahren: Stuhltest oder Koloskopie)
– Low-Dose-CT zur Lungenkrebsfrüherkennung bei langjährigen Rauchern
– Gezielte MRTs bei familiärer Risikosituation (z. B. BRCA-Mutation)
Diese Programme haben nachweislich einen gesundheitlichen Nutzen für die Bevölkerung. Ein pauschales Ganzkörper-MRT ohne Indikation erfüllt diese Anforderungen nicht.
Fazit
- Die Durchführung von Ganzkörper-MRTs bei Gesunden ohne Indikation wird von der SGR eher kritisch beurteilt.
- Die Rate an Zufallsbefunden ist eher hoch; der Nutzen bleibt unbewiesen.
- Technische und qualitative Einschränkungen sowie mögliche Folgeschäden aus weiteren Untersuchungen wie auch Interventionen sind nicht zu unterschätzen.
- Qualität der Bildgebung, Qualifikation der befundenden Radiologen und Transparenz bei Preis und Auswertung sind zentrale Kriterien.
- Evidenzbasierte Vorsorge in enger Abstimmung mit Hausärzten und Fachärzten bleibt der sinnvolle Weg zur Krankheitsprävention.
Die SGR-SSR verfolgt die Situation mit Interesse weiter und erwägt ein Whitepaper mit Richtlinien zu verfassen, sollte dies zielführend erscheinen.
Worauf achten bei Ganzkörper-MRT ohne Indikation?
Ist es wirklich nötig?
Ohne Beschwerden oder Risikofaktoren ist ein Ganzkörper-MRT meist nicht sinnvoll. Erst mit dem Hausarzt sprechen!
Wer befundet?
Achten Sie auf erfahrene Radiologen mit gültiger Schweizer Zulassung – idealerweise subspezialisiert. Empfohlen wird auch eine Doppelbefundung (Neuroradiologe und Bodyradiologe). Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt ein Institut empfehlen.
Qualität zählt!
Moderne Geräte, ausreichend Zeit für die Untersuchung sollten Standard sein.
Vorsicht bei Werbung
Hinterfragen Sie Anbieter mit viel Marketing, aber wenig medizinischer Transparenz. Wer liest Ihre Bilder wirklich?
Was kostet es – und warum?
Ein hoher Preis bedeutet nicht automatisch Qualität. Fragen Sie, wohin das Geld fließt – in Medizin, Vermittlungsprovisionen oder Marketing?
Bessere Alternativen
Sinnvoller: empfohlene Vorsorge wie Darmspiegelung, Mammographie oder Low-Dose-CT bei Rauchern. Die werden grösstenteils auch von der Krankenkasse übernommen.