Politik
Kostendämpfungspaket II – Position der SGR-SSR

Ausgangslage

Der Bundesrat möchte den Kostenanstieg im Gesundheitswesen dämpfen und damit Prämien- und Steuerzahlende entlasten. Dafür hat er zwei Massnahmenpakete lanciert: Das Kostendämpfungspaket I und das Kostendämpfungspaket II. Im ersten Paket hat das Parlament zahlreiche Massnahmen, unter anderem Dank Intervention der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und anderen Fachgesellschaften, entschärft. Zentral ist dabei der Wille des Parlaments, keine staatliche Verordnung von Mengen-, Kosten- und Volumenzielen vorzusehen. Nun hat der Bundesrat das zweite Paket ins Parlament geschickt. Es soll auf die im ersten Paket gelegten Massnahmen aufbauen und weiter dazu beitragen, die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) auf das «medizinisch Begründbare» zu beschränken. Die Botschaft wird im November in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats vorberaten und kommt anschliessend in den Nationalrat. Der Ständerat wird die Beratungen erst 2023 aufnehmen.

Der Bundesrat schreibt in seiner Botschaft ans Parlament, die mit dem zweiten Kostendämpfungspaket geplanten Einsparungen könnten nicht beziffert werden. Die Regierung hat ferner darauf verzichtet, eine Regulierungsfolgenabschätzung vorzulegen, welche die Effekte des Sparpaketes in allen Bereichen transparent gemacht hätte. Die allenfalls kostendämpfende Wirkung des Paketes ist also gar nicht ausgewiesen und die Massnahmen kommen einem Blindflug gleich.

 

Inhalt

Der Bundesrat hatte in seinem Vorentwurf in der öffentlichen Vernehmlassung vorgesehen, dass einerseits Kostenziele für Bund und Kantone bei den Gesundheitsausgaben definiert werden, andererseits obligatorische Erstberatungsstellen für medizinische Untersuchungen geschaffen werden sollen. Damit wäre der Zugang zur Spezialärzteschaft erschwert und letztlich die freie Arztwahl stark eingeschränkt worden. Weil das Vernehmlassungsergebnis sehr schlecht ausfiel, hat der Bundesrat die Idee der Erstberatungsstelle nun fallen lassen. Indes hält er daran fest, Versorgungsnetzwerke gesetzlich zu verankern. Die vom Bundesrat verabschiedete Botschaft enthält sieben Massnahmen zur  Kostenkontrolle im Gesundheitswesen: unter anderem die Schaffung von Netzwerken für eine koordinierte Versorgung und die Befugnis des Bundesrates, selbst festzulegen, wie und wann die periodische Überprüfung der Leistungen nach den Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) erfolgt. Ferner die Förderung des kantonsübergreifenden Spitalwettbewerbs sowie die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsübermittlung.

 

Analyse

Eine Prüfung der Botschaft zum zweiten Paket zeigt, dass der Bundesrat auch dieses Paket überladen hat:

  • Weitere Kompetenzen an Bund und die Kantone zu delegieren und damit neue Zuständigkeiten zu schaffen, ist nicht wünschenswert. Konkret heisst das auch, dass die Vorschrift von Netzwerken zur koordinierten Versorgung nicht zielführend ist. Die Ausgestaltung von Netzwerken wie in der Botschaft beschrieben, führt zu mehr administrativem Aufwand und Kosten auf Seite der Leistungserbringer und schliesslich auch zu mehr koordinativem Aufwand auf Seite des Staates. Die Vorschrift, dass jedes Netzwerk ein Leistungserbringer wäre, der auch als solcher abrechnen müsste, scheint wenig durchdacht. Fakt ist: Das eigentliche Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen würde garantiert verfehlt, es käme gar zu Mehrkosten. Zudem sind solche Netzwerke längst Realität. Für komplexe Krankheitsbilder werden auch heute schon mehrere Leistungserbringer zur qualitativ hochstehenden Versorgung herangezogen und grundsätzlich steht es den Leistungserbringern frei, sich in dieser Form zu organisieren.
  • Die von Gesundheitsminister Alain Berset vorgeschlagene neue Kompetenz des Bundesrates, die Leistungen im Gesundheitswesen nach Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) zu prüfen, erhöht weder die Effizienz noch die Qualität von medizinischen Leistungen. Sie stellt die staatliche Definitionshoheit der WZW-Kriterien dar. Das ist zwingend abzulehnen, denn dies ist Sache der Leistungserbringer.

 

Fazit: Mehraufwand und ausufernde staatliche Kompetenzen

Die vom Bundesrat angekündigten und vorgeschlagenen Massnahmen für ein zweites Kostendämpfungspaket werden nicht zu einer Dämpfung des Kostenanstieges führen, sondern zu einer ineffizienten Zunahme an Bürokratie, ohne intrinsisch die Qualität der medizinischen Leistungen zu verbessern und somit tiefere Kosten zu generieren.

Weder die Vorschrift, in Netzwerken zur koordinierten Versorgung arbeiten zu müssen noch die Verstaatlichung von WZW-Kriterien dämpfen die Kosten in der OKP. Mit diesen Massnahmen wird das eigentliche Ziel verfehlt. Ärztinnen und Ärzte sind bereits heute über verschiedene Disziplinen hinweg vernetzt. Es braucht keine weiteren Vorschriften für koordinierte Netzwerke, schon gar nicht solche mit obligatorischem Charakter.

Eine Regulierungsfolgenabschätzung und die Bezifferung des angepeilten Sparziels fehlen, beide sind aber zentral für die Beurteilung der Wirksamkeit der vorgesehenen Massnahmen.

 

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